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„Freundlichkeit ohne Herz ist Arroganz“* – Kundenberater der Banken haben oft noch Defizite

Die Ergebnisse einer Umfrage des Mindful Finance Institute unter Vermögensverwaltern und Bankern zeigen dringenden Handlungsbedarf in Sachen Empathie und emotionaler Intelligenz in der Finanz- und Vermögensberatung.

„Der Zugang zum Kunden ist ganz anders geworden. Früher hatte man viel erzählt und ein passendes Produkt in der Hand. Seit der Finanzkrise sind die Kunden sehr viel informierter, kommen aber auch mit sehr viel Halbwissen daher. Dadurch ist die Beratung sehr viel schwieriger geworden“, resümiert die Chefin des Private Banking einer Großbank.

Der renommierte Leipziger Think Tank 2beahead schaut dagegen 10 Jahre in die Zukunft: „Experten und Studien weisen darauf hin, dass Verbraucher weltweit lieber persönliche KI-Sprachassistenten verwenden, als ein Geschäft oder eine Bankfiliale zu besuchen. Bis zum Jahr 2030 werden fast alle finanziellen Bedürfnisse der Verbraucher durch eine dialogorientierte KI mit integrierten spezialisierten KIs, die auch komplexe Finanzdienstleistungen handhaben, erfüllt werden.“ (2beahead, Financial Services 2030, S. 25)

Ooops, das ist aber ein harter Tobak! Vor allem für eine Branche, die sich nicht gerade durch Innovationsstärke auszeichnet. Und all das machte uns im Mindful Finance Institute noch neugieriger. Was passiert denn in der Finanz- und Vermögensberatung in den nächsten Jahren? Mit dieser Frage begannen wir eine Reihe von Interviews mit selbständigen Vermögensverwaltern, freiberuflichen Finanzberatern und den Chefs von Anlageberatungen von Banken. „Quo vadis, Vermögens- und Finanzberatung?“ Was braucht die Branche, was braucht der einzelne Kundenbetreuer, um mit den absehbaren Veränderungen mithalten zu können?

„Anlage-Tipps“ sind nicht mehr gefragt

Eines vorweg: auch wenn Chat Bots, Robo Advisors und KI-Assistenten bereits heute entwickelt und eingesetzt werden, so bleibt nach Meinung der Mehrheit der Fachleute ein nicht geringer Bedarf an Mensch zu Mensch Interaktion. Und wenn vielleicht auch nur für die nächsten 10 bis 20 Jahre. „Die unabhängigen Vermögensberater sind sehr viel agiler als die Bankberater. Sie mutieren heute in Richtung eines Vermögens-Lotsen – und dieser muss in erster Linie die persönliche Situation des Kunden verstehen und nicht mit dem zu verkaufenden Produkt in der Hand daherkommen“, stellt ein Bankvorstand nüchtern fest. Und der Chef einer Vermögensverwaltung ergänzt: „Bei den jungen Menschen gibt es heute keinen Gesprächsbedarf mehr, welche Papiere man für’s Portfolio braucht. Dafür gibt es den MSCI World.“ Und  viel zu viele Berater kämen noch immer mit der alten Vorstellung einer „Anlage-Empfehlung“ daher, statt den Kunden ganzheitlich zu erfassen.

Aber, so werden nun speziell die Banken und Sparkassen einwenden, gab es nicht schon immer den Anspruch, dass die Finanz- und Vermögensberater Ihren Kunden kennen, ihn und seine Lebenssituation verstehen müssen? Oh ja, den Anspruch hat es sehr wohl immer gegeben, alleine die Ausführung jedoch kam grosso modo in der Fläche über freundliches Lächeln und Produktverkauf nur wenig hinaus. Starke Regulierung, enormer Verkaufsdruck, die übergroße Anzahl der Kunden pro Berater und oft auch noch das überzeichnete  Selbstbild der Berater verhinderten bis dato, dass Bankberater sich ganzheitlich, empathisch dem Kunden zuwenden konnten. Mit der Folge, dass deren Funktion und damit auch der Umsatz mehr und mehr von freien Beratern und Vermögensverwaltern, von Robos und ETF abgedeckt werden.

Freundlichkeit alleine reicht nicht

Was tun also? Was braucht der Finanz- und Vermögensberater an persönlichen Fähigkeiten, um den gestiegenen Kundenansprüchen gerecht zu werden? Unsere Interviewpartner betonten unisono die Bedeutung von Empathie und emotionaler Intelligenz. „Der Berater muss Interesse am Menschen zeigen, echtes Interesse“, sagt einer mit langjähriger Erfahrung. „Dafür muss man zuhören können, merken, wie es dem anderen geht, sich in ihn hineinversetzen können. Dann ist man auf Augenhöhe.“ Und der „Vermögens-Lotse“ der Zukunft wird beschrieben, „als einer der den Kunden begleitet, den Kunden abholen und ihm eine emotionale Heimat geben kann“. Ebenso genannt wurden Authentizität, Verletzlichkeit und menschliche Größe. Das fachliche Grundverständnis, wie asset allocation und risk-return-Erwägungen muss als Hygienefaktor in der Beratung vorhanden sein, „essentiell jedoch ist zu erkennen, was mein Gegenüber bewegt und treibt“. Dazu brauche es „Freude und Offenheit, mit Menschen zu arbeiten“.

Oh je, ist das heute überhaupt möglich? Wo gerade heute in den traditionellen Banken Stress, Ängste, Druck und Überforderung vorherrschen? Da kommt der Kunde zur Tür herein, und – pling – plötzlich sollen Neugier auf den Menschen, Freude und Offenheit vorhanden sein? Oft überspielt ein aufgesetztes Lächeln, wo es nichts mehr zu Lachen gibt. Und noch immer wird bei Finanzdienstleistern Nur-Freundlichkeit mit Kundenorientierung gleichgesetzt. Welch grandioser Irrtum! „Freundlichkeit ohne Herz ist Arroganz“, meinte der ehemalige Chef eines der führenden Hotels in Deutschland. Dem ist im Grund nichts hinzuzufügen.

„Gesucht ist der Menschenfreund mit Einfühlungsvermögen“, sagt der Chef einer Finanzplanungs-GmbH über die Ansprüche an den Finanzberater der Zukunft. Mmmh! Nun lässt sich aus einem geborenen Misanthropen wohl kaum ein Menschenfreund heraustrainieren. Aber das entspräche auch nicht der überwiegenden Mehrheit der Bankangestellten und Finanzberater. Für die gilt: Empathie, emotionale Intelligenz und Einfühlungsvermögen können erlernt, können geübt und schließlich im Kundengespräch auch gelebt werden. Kein einfacher Weg, und ganz sicherlich keine Sache eines eintägigen Verkaufs-Seminars. Und ohne eine menschenfreundliche Unter-nehmenskultur drum herum, ganz und gar unmöglich. Gerade die jüngeren Kundenberater der Generation Y und Z, so schilderten uns unsere Gesprächspartner, legen großen Wert auf solche Qualifikationen.

Wie also kommen Sie dahin?

Die Neurowissenschaften und die Mindfulness-Praktiken zeigen einen nachhaltig wirksamen Weg. “Unser Gehirn ist formbar“, so eine der zentralen Erkenntnisse neurowissenschaftlicher Forschung. Wir können also – unabhängig vom Alter – lernen, d.h. wir können uns neue Denk- und Verhaltensweisen aneignen. Wenn wir etwas von den Mechanismen verstehen, die dies in uns bewirken. „Mindfulness ist das Skalpell, mit dem Pfade im Gehirn geschnitzt werden“, sagt Daniel J. Siegel, einer der führenden Gehirnforscher. Wir lernen zunächst uns selbst besser wahrzunehmen. Und wenn wir das können, steht einer besseren und tieferen Wahrnehmung unseres Gegenübers nichts mehr im Weg.

Aber, so werden Sie sagen, die von unseren Interview-Partnern geforderte Empathie und Einfühlungsvermögen haben doch auch etwas mit Emotionen zu tun, oder? Richtig! Emotionale Selbst-Steuerung ist auch hier der erste entscheidende Schritt, um besser – empathischer – mit dem Kunden umgehen zu können. „Wer für sich selbst gut sorgen kann, der kann auch gut für andere sorgen“, heißt eine wichtige Regel für (Kunden-) Beziehungen. Emotionale Selbstfürsorge ist eine wesentliche Grundlage für die Fähigkeit, sich in den Kunden hineinversetzen zu können, ihn emotional und empathisch zu verstehen. Dieser Punkt wird im Übrigen in den herkömmlichen „Wie-gehe-ich-besser-auf-den-Kunden-ein“-Seminaren sträflich vernachlässigt. Checken Sie doch mal, was Ihre Kundenberater da so lernen und ob das auch hält. Und vielleicht ist an der Zeit, mit unserem Ansatz mal was Neues zu wagen.

Neue Qualifikationen auf neuen Wegen lernen

Ein weiter Weg also, den wir hier gegangen sind. Von der Zukunft der Finanzberatung, von den Ansprüchen an die Finanzberater der Zukunft bis hin zur Neuroplastizität und emotionaler Selbstfürsorge. Den gleichen weiten Bogen umspannt unser im Spät-Herbst 2020 wieder beginnendes Qualifizierungs-Programm des Mindful Finance Institute für Vermögens- und Finanzberater zum Thema „Kundenbeziehungen im Digitalzeitalter erfolgreich managen“. Ein modernes Lern-Design über 10 Wochen mit einem Mix aus nur 2-3 Präsenztagen, wöchentlichen Webinaren, Peer-Gruppen-Austausch, Online-Coaching und einer Online-Lernbibliothek wird den neuen Umgang mit Kunden in der Praxis nachhaltig verankern. Über „credits“ sprechen wir derzeit mit dem FPSB. Machen Sie sich fit für die Zukunft der Finanzbranche! Kontaktieren Sie uns (info@mindful-finance.org) und wir schicken Ihnen sofort nach Vorliegen das Programm und den Link zur Registrierung zu.

* „Freundlichkeit ohne Herz ist Arroganz“ ist ein Zitat von Carsten K. Rath

August 2020

Dr. Friedhelm Boschert, Geschäftsführer des Mindful Finance Institute; ehrenamtlicher Vorstandsvorsitzender des Fördervereins Austria der Oikocredit; vormals Vorstandsvorsitzender Sberbank Europe/Volksbank International; Coach und Mindfulness-Trainer.

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